Haltung in der Mediation

Die Effektivität eines Mediators hängt nicht nur von seinem Fachwissen und seiner Erfahrung ab, sondern auch von seinen persönlichen Fähigkeiten und seiner Haltung. Mediatoren müssen eine Reihe von Schlüsselqualitäten besitzen, die es ihnen ermöglichen, ihre Fachkenntnisse in echte Kompetenzen umzuwandeln. Dazu gehören Demut, Neugier, Offenheit, Transparenz und Unvoreingenommenheit. Diese Eigenschaften sind essenziell, um eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit zu schaffen, in der die Parteien offen kommunizieren und zu einer einvernehmlichen Lösung finden können.

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Die Fähigkeit, eine demütige Einstellung zu bewahren, Klarheit in der Kommunikation zu bieten und Ruhe auszustrahlen, erfordert von Mediatoren/innen, sich bewusst und diszipliniert in diese Zustände zu begeben. Hier spielt die persönliche Entwicklung und Selbstfürsorge eine entscheidende Rolle. Lange Wanderungen in der Natur oder meditative Übungen in der Einsamkeit von Bergregionen können für Mediatoren/innen wertvolle Praktiken sein, um belastende Energien, die sie in Konfliktprozessen aufnehmen, in positives, unterstützendes Empowerment umzuwandeln. Solche Aktivitäten ermöglichen es Mediatoren, sich zu erden, ihre Gedanken zu klären und ihre emotionale Resilienz zu stärken.

Auf einer dieser Wanderungen durfte ich heute eine wunderbare Begegnung mit einem großen Rudel von mehr als 30 Gämsen machen, die sich durch einsame Wanderer nicht aus ihrer Ruhe bringen ließen. Diese nahe Sichtweise auf diese wunderbaren Tiere evozierte folgende Analogie im Kontext der Haltung von Mediatoren.

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Auf obigem Bild sind zwei Gämsen in der obersteirischen Gesäuseregion zu sehen, die geschickt und sicher auf einem schneebedeckten und steinigen Abhang stehen. In diesen Tieren könnten wir Wesenszüge erkennen, die auch als Metaphern für essenzielle Eigenschaften eines/r Mediators/in dienen können:

1. Perspektivenwechsel: Gämsen sind meisterhaft darin, ihre Perspektive zu ändern, um die besten Wege am Berg zu finden. Mediatoren/innen müssen ebenfalls diese Fähigkeit besitzen, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und so die Perspektiven aller Konfliktparteien zu verstehen.

2. Achtsamkeit: Jeder Schritt einer Gämse ist achtsam und bedacht, um nicht den Halt zu verlieren. In der Mediation ist Achtsamkeit für den Prozess und die vorhandenen Emotionen notwendig, um den Parteien zu helfen, ihre Gedanken zu ordnen und zu einer Klärung zu kommen.

3. Leise Präsenz: Gämsen bewegen sich leise und unaufdringlich in ihrer Umgebung. Ein/e gute/r Mediator/in weiß, wann es Zeit ist, sich zurückzunehmen und den Parteien Raum zur Selbstreflexion zu geben.

4. Situationsbewusstsein: Wie Gämsen ständig ihre Umgebung beobachten, müssen Mediatoren/innen das Umfeld und die Dynamik der Mediation genau wahrnehmen, um proaktiv und präventiv handeln zu können.

5. Beharrlichkeit: Gämsen geben nicht auf, auch wenn der Aufstieg schwierig ist. Mediatoren/innen brauchen ebenfalls Durchhaltevermögen und den Willen, auch bei schwierigen Verhandlungen weiterzumachen und die Parteien zu unterstützen.

6. Feinfühligkeit: Die sensiblen Sinne der Gämsen helfen ihnen, sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden. Mediatoren benötigen ein hohes Maß an Empathie und Feingefühl, um die Nuancen eines Konflikts zu verstehen und darauf einzugehen.

7. Ausdauer: Gämsen zeigen eine bewundernswerte Ausdauer bei der Bewältigung ihrer täglichen Herausforderungen. Mediatoren/innen müssen genauso ausdauernd sein, um langwierige und komplexe Mediationsprozesse zur Lösung zu führen.

Diese Eigenschaften der Gämsen spiegeln zentrale Fähigkeiten wider, die Mediatoren/innen in ihrer Arbeit entwickeln und verfeinern sollten, um Konflikte effektiv zu begleiten und zu einer fairen, dauerhaften und transformativen Lösungsfindung beizutragen.