Resilienz in und durch Mediation

Präambel: Dieser Artikel überträgt die Gedanken von Martin Grassberger, Mediziner und Biologe, in den Kontext der Mediation. Er zeigt, wie Weisheit und Klugheit in der Konfliktlösung einen Übergang zu einem neuen Miteinander ermöglichen können. Grassbergers Buch "Regenerativ - Aufbruch in ein neues ökologisches Zeitalter" ist im Residenz-Verlag erschienen.


In unserer komplexen Welt stehen wir vor vielen Herausforderungen. Konflikte entstehen durch unterschiedliche Perspektiven, Interessen und Bedürfnisse. Hier gewinnt Mediation als Werkzeug zur Konfliktlösung an Bedeutung. Doch um ihre volle Wirkung zu entfalten, braucht es mehr als Wissen – es bedarf auch Weisheit und Klugheit.

Martin Grassberger betont, dass wir über bloße Fakten und Zahlen hinausblicken müssen. Er kritisiert, dass unser Gehirn sich zu sehr auf Zahlen konzentriert und dadurch blind für andere Phänomene in der Ökologie und Gesellschaft wird: "Unser Gehirn klammert sich verzweifelt an Zahlen, und wir sind zunehmend blind für andere Phänomene in Ökologie und Gesellschaft. Von Zahlen geblendet, können wir die Vielfalt von Natur, Kultur und deren Verbindungen nicht mehr sehen." Wissen allein reicht nicht aus, um die komplexen Zusammenhänge unserer Zeit zu verstehen und sinnvoll zu nutzen. Es braucht Weisheit, um tiefere Einsichten zu gewinnen, und Klugheit, um diese Einsichten in der Praxis anzuwenden.

Diese Thematik lässt sich auch auf zwischenmenschliche Missverständnisse und daraus resultierende Konflikte übertragen. Oft konzentrieren wir uns in Konflikten auf Fakten und Positionen, statt auf die dahinterliegenden Interessen und Bedürfnisse und somit auf die dadurch offenkundig werdenden Möglichkeiten. Mediation bietet hier einen Ansatz, der über das rein Rationale und scheinbar "Objektive" hinausgeht. Sie schafft einen Raum, in dem nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird. Dies erfordert eine Veränderung in der Art und Weise, wie wir gemeinsame Zeit und daraus entstehende Probleme betrachten. Wenn wir diese Perspektive ändern, ändern sich auch die Sichtweisen.

Ein zentrales Konzept in Grassbergers Überlegungen ist das regenerative Paradigma. Er argumentiert, dass viele ökologische und soziale Probleme in der Natur selbst Lösungen finden können. Dieses Konzept lässt sich auch auf die Mediation übertragen. Statt Konflikte nur zu managen oder zu lösen, könnten wir Wege finden, Beziehungen zu regenerieren und zu stärken. Dies erfordert einen schrittweisen Übergang vom ICH zum WIR – von einem individualistischen zu einem gemeinschaftsorientierten Ansatz.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Begriff der Resilienz. Resilienz beschreibt die Fähigkeit von Individuen und Systemen, sich durch existenziell wirksame Einflüsse zu erneuern beziehungsweise zu gesunden. Grassberger spricht von systemimmanenten Möglichkeiten, auf Katastrophen gesundend zu reagieren und daraus besser zu werden. In der Mediation bedeutet dies, dass wir nicht nur darauf abzielen, Konflikte zu beenden, sondern auch die Beziehungen zwischen den Beteiligten zu verbessern. Es geht darum, ein neues Miteinander zu schaffen, in dem Verständnis und Kooperation im Vordergrund stehen. Dies erfordert Empathie, aktives Zuhören und die Fähigkeit, sich in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen. Wenn wir die Art und Weise ändern, wie wir unser Zusammenleben und insbesondere Konflikte betrachten und lösen, können wir auch die Dynamik unserer Beziehungen grundlegend verändern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mediation nicht nur ein Werkzeug zur Konfliktlösung ist, sondern auch ein Mittel, um ein neues Miteinander zu schaffen. In einer immer komplexer werdenden Welt brauchen wir Weisheit und Klugheit, um die vielen Fakten, Zahlen, aber auch Gerüchte und Schlagzeilen, die uns die Medienlandschaft und die Geschichten unserer Umgebung täglich liefern, richtig zu interpretieren und sinnvoll zu nutzen. Indem wir die Art und Weise ändern, wie wir unser Zusammenleben und insbesondere Konflikte betrachten und lösen, können wir in Anlehnung an den von Grassberger skizzierten Übergang vom Anthropozän zum Ökozän einen Übergang vom ICH zum WIR ermöglichen. Es ist ein Schritt hin zu einem neuen Zeitalter der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses.

Diskussionsfragen:

  • Haben Sie Beispiele dafür, wie Weisheit und Klugheit in Ihren Mediationssitzungen geholfen haben, komplexe Konflikte zu lösen?
  • Wie können wir als Mediatoren/innen sicherstellen, dass wir nicht nur Fakten und Positionen, sondern auch dahinterliegende Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen?


Wenn Sie daran interessiert sind, Mediation als Werkzeug für Konfliktlösung und nachhaltige Beziehungspflege zu erlernen, empfehlen wir Ihnen, sich über unser Ausbildungsprogramm zu informieren. Unsere Einrichtung ist vom Bundesministerium für Justiz anerkannt und bietet umfassende Schulungen an, die Ihnen die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse vermitteln, um als Mediator/in und als Initiator/in für regenerative Kommunikationsprozesse tätig zu werden.

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